cigar | Vom Glück in der Kiste
Aus Cigar 3/2014
Tabak total

Vom Glück in der Kiste

Sie stehen bei Aficionados zu Hause, in allen Grössen und Formen, sorgen für Frische sowie gute Luft. Und gehen sie kaputt, werden die Zigarren unglücklich. Wer aber baut die ganzen Humidore überhaupt? Drei Porträts.

Text: Falco Meyer
Fotos: Philippe Hubler und Tina Sturzenegger

Andreas Stachl steht entspannt hinter seiner Theke, die Zigarre in der Hand, Wein im Glas, und draussen brummt das Geschäft: Die Terrasse seiner Zigarrenlounge ist voll besetzt, halb Uster geniesst hier einen der seltenen Sommerabende, raucht ihm die Spezialitäten seines Humidors weg. Junge Leute, Geschäftsmenschen, «hier kann man das Bier auch aus der Flasche trinken», sagt Stachl, «wir sind nicht kompliziert.»

Seit zwei Jahren läuft sein «la Corona », Stachl hat alles selber aufgebaut, die Lounge im Dachgeschoss mit den Humidor-Fächern – eigenhändig gezimmert –, den grossen begehbaren Humidor, die schönen Möbel. Der gelernte Zimmermann hat zwar den Beruf getauscht, aber er legt sein weisses Hemd und die Lederschuhe gerne weg und schlüpft in die alten Arbeitskleider, wenn es Gelegenheit gibt: «Das ist für mich eine wunderbare Abwechslung. Gerade gestern habe ich einen Humidor verbaut», sagt er, «ein schönes Stück, einer unserer Flat-Humidore: Die Zigarren sind darin einzeln hochkant aufgereiht, sodass man sie sehen kann.»

Denn Stachl ist nebenbei einer der grössten Humidorbauer der Schweiz, macht sogar Kleinserien gewisser Modelle, alles in Handarbeit. Bei ihm kann man Humidore im Katalog bestellen, sein System ist ausgereift und lässt sich an die Kundenwünsche anpassen. Und trotzdem wird jeder einzelne Humidor von der Schreinerei Rüegg in Goldingen gebaut, Stachls Wohnort, zwischen Fachwerkhäusern, Kirchturm und Dorfmolkerei. «Mit dem Humidorbau hat es für mich angefangen», sagt Stachl. Seine ersten baute er noch in der Schreinerei, in der er seine Lehre gemacht hatte. «Meine Ursprungsidee war es, einen modularen Humidor zu bauen, mit dem man als Zigarren-Anfänger klein beginnen kann, und dann weiter anzubauen, wenn es Platz braucht.» Den modularen Humidor gebe es zwar immer noch nicht, sagt er und lacht, aber dafür eine ganze Palette von anderen. Stachl baut für grosse Ketten und kleine Lounges Humidore nach Mass, aber auch kleine Tischhumidore für den Privatbenutzer. Er baut aus Massivholz, wenn es sich der Kunde leisten kann, hat aber auch keine Berührungsängste mit modernen Materialien. «Wir bauen auch mit Okume- Sperrholz, einem Zedern-Ersatz. Es hat dieselbe Funktionalität wie das Zedernholz, ist einfach viel günstiger.» Und dass Stachl eigentlich vor allem die Funktionalität seiner Humidore schätzt, das zeigt sich auch bei seinem eigenen, zuhause in Goldingen: «Er ist nicht schön, aber er funktioniert perfekt.» Für seine Kunden allerdings baut er auch Luxus-Varianten. «Es ist wie mit den Autos, man kommt mit einem Golf genauso ans Ziel wie mit einem Mercedes. Es kommt nur darauf an, dass der Kunde zufrieden ist.» Sagt er und betrachtet liebevoll seine Zigarre. «Und dass die Zigarren im Humidor glücklich werden. Denn nur glückliche Zigarren sind ein Genuss.»

Stachl ist nicht der Einzige, der den Zigarren eine neue Heimat schreinert. Ein Stück weiter in Richtung Nordosten gibt es noch einen. Hinter Beat Schmids Schreinerei fängt Mostindien an: Apfelbaum an Apfelbaum im kleinen Dorf Wellhausen. Schmid ist hier der Dorfschreiner, baut Türen und Möbel für die Leute an der Strasse, die nach Winterthur oder nach Frauenfeld führt. Aber das ist ihm lange nicht genug: Er schreinert gleichzeitig Humidore für die ganze Welt. In Australien stehen sie, in Amerika, sogar auf einer Yacht hat Schmid mit seiner Firma Humidorbau.ch schon einen Humidor verbaut. «Das war einer der spannendsten Aufträge», sagt der 33-Jährige, «die Yachtwand ist ja gebogen, da den Humidor hineinzubekommen, war eine Herausforderung. Hat Spass gemacht.» Er lacht. Die Schreinerei Schmid ist ein Familienbetrieb, aber einer ohne die üblichen Schwierigkeiten bei der Weitergabe: Beat Schmid hat ihn selber gegründet, zusammen mit seiner Schwester Andrea Cuka. Sie schmeisst das Büro, neben ihrem Vollzeitjob als Wirtschaftsprüferin, er leitet die Werkstatt, und das seit elf Jahren: Geht das gut, Geschwister im gleichen Betrieb? «Wir kommen einander ja nicht in die Quere», sagt die Schwester, «er ist in der Schreinerei der Profi und ich im Büro.»

Andreas Stachl …
… bewahrt in seinem la Corona allerlei Schätze auf.
Beat Schmid …
… hat sich mit edlen Humidoren einen Namen gemacht.
Jürg Odermatt (links) und Stefan Gyseler  …
… erfanden den Humidor fürs USM-Möbel.


Der Erfolg bestätigt die beiden: «Wir haben uns mittlerweile einen Namen machen können», sagt Schmid, «konnten die Humidore in einigen edlen Hotels bauen, im ‹Omnia› in Zermatt zum Beispiel oder im ‹Schweizerhof› in Bern.» Da muss alles stimmen, darf keine Zigarre zu trocken oder zu feucht werden. «Solche grossen Humidore baue ich sehr gern, gerade weil sie sehr aufwendig sind: Das sind Einzelstücke, an denen denken meistens ein Architekt, ein Designer und ich rum, wir knobeln dann Abende lang aus, wie wir ihn bauen wollen.» Und das mit Erfolg. Dabei hat alles ganz klein angefangen: Zum 50. Geburtstag seines zigarrenliebenden Göttis baute der junge Möbelschreiner diesem einen Tischhumidor. Und dann rollte die Lawine los: Erst wollte die nähere Verwandtschaft auch so einen, dann kam die Kundschaft. «Wir haben lange getüftelt und viel ausprobiert. Unsere Technik ist ausgereift und wir können jetzt Humidore höchster Qualität bauen», sagt Schmid.

Er zeigt einen seiner früheren Tischhumidore: Aus massivem Zedernholz gebaut, elegante Tablare, guter Geruch, keine Gummidichtung. Die Nuten sind so genau gesägt, dass der Holzdeckel beim Schliessen und Öffnen ein Vakuum bildet. «Es sieht so einfach aus, eine Holzkiste mit Zigarren drin», sagt Schmid und lacht, «aber darin stecken viel Know-how und auch ein paar Techniken, die unser Geheimnis bleiben.» Denn bei einem Humidor gibt es einige Probleme zu lösen: Das Holz darf sich nicht verziehen, sonst wird er undicht, und das trotz der Luftfeuchtigkeit von über 70 Prozent. Schmid baut seine Humidore nach Kundenwunsch, hat die ganze Palette von Furnieren da, von Nussbaum über Rosenholz, Wurzelfurnier bis zu Carbon-Platten: «Im Moment sind schlichte Möbel angesagt, Oberflächen aus Eiche. Das passt auch besser in moderne Wohnungen als die barocken Wurzelfurniere.» Für einen Tischhumidor von Schmid muss man drei Wochen warten, das Stück kostet je nach Ausgestaltung um die 3000 Franken. «Das klingt nach viel, aber es ist auch ein qualitativ hochwertiges Möbel. Und wenn man bedenkt, was die Zigarren darin an Wert haben, kommt man als Liebhaber auch schnell auf einige tausend Franken. Da lohnt sich ein guter Humidor.» Sagt er – und macht dann die Bude dicht für zwei Wochen: Zum ersten Mal seit elf Jahren erlaubt sich Schmid, Ferien zu nehmen. Kann er das überhaupt noch? «Wir sind alle gespannt », sagt seine Schwester, «wie er das macht. Und ob er wieder zurückkommt.»

Zigarrenraucher gibt es auch in der Zentralschweiz, und deren will sich das Team der jungen Firma Humidor Design annehmen: Seit diesem Frühling bauen der gestandene Baarer Möbelschreiner Jürg Odermatt und der Treuhänder Stefan Gyseler zusammen Humidore. Es war eine Schnapsidee, eine von denen allerdings, die tatsächlich funktionieren: Gyseler ist begeisterter Zigarrenraucher, hat seine Leidenschaft in Kuba entdeckt: «Erster Abend in Kuba, wir dachten, los jetzt, eine Zigarre muss her. Und wollten natürlich die dicksten. Aus dem Plan, auszugehen, ist nichts geworden: Uns war gottvergessen trümmlig», erzählt er. Aber es hat dann doch noch geklappt mit Gyseler und der Zigarre. So gut, dass er in seine neue Wohnung einen Humidor einbauen wollte. «Ich kannte Jürg von früheren Aufträgen und fragte ihn, ob er mir den Humidor baut.» Der lag eine Nacht lang wach und dachte sich seinen ersten Humidor aus. Es hat geklappt: Beim Einzug stand der Humidor fixfertig im Wohnzimmer. «Zugegeben, er ist etwas gross», sagt Gyseler und lacht, «aber wenn schon, dann richtig.» Und dann stellten die beiden fest: Das ist eine Geschäftsidee. Wie man Geschäfte aufbaut, das wissen sie: Odermatt ist langjähriger Inhaber einer Schreinerei mit vier Mitarbeitern, Gyseler leitet seine eigene Treuhandfirma. «Wir konnten Humidor Design auf den Ressourcen unserer beiden Firmen aufbauen und hatten deswegen fast keine Kosten», sagt Odermatt. Die Firma ist noch jung, das Geschäft läuft gerade erst an, die ersten Humidore sind produziert und ausgeliefert. Und wer sich in Odermatts Schreinerei bewegt, bekommt schnell einen Eindruck vom Geschick seiner Schreiner. Auch er baut, wie die Schmids, nur auf Kundenwunsch: Jeder Humidor ein Unikat. «Wir konnten den Humidor für eine Zigarrenlounge in Zürich bauen. Das ist natürlich eine tolle Gelegenheit, uns zu zeigen.»

Und die beiden haben sich auch eine Spezialität ausgedacht, die in Serie gehen könnte: den Humidor, der ins USMMöbel passt. «Wir dachten uns, jeder Anwalt und jeder Banker hat USM-Möbel », sagt Gyseler – und Treuhänder offenbar auch, denn der erste USM-Humidor steht bei ihm selbst im Büro. «Das Design könnte in Serie gehen, wenn die Nachfrage besteht.» Die Spezialität der Baarer Humidorbauer ist allerdings Odermatts Holz-Sammlung, sie ist seine Leidenschaft: «Ich kaufe Bäume aus der Umgebung und lagere sie, Hünenberger Kirsche zum Beispiel, ein Baum aus der Gemeinde, aus der ich komme. Oder besondere Zwieselwüchse, Bäume mit speziellen Wuchsformen. Aus denen baue ich Möbel, die eine Geschichte haben. » Sein Traumhumidor: In den Stamm eines verknorzten und verdrehten Zwieselwuchses hineingebaut. Odermatt sagt lachend: «Das wäre wunderbar. Dafür fehlt mir nur noch ein Kunde, das Holz habe ich schon.»

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