Text:Â Tobias HĂĽberli
Fotos: Tobias HĂĽberli /Â z.V.g.
Mit Krisen kennen sich die Kubaner bestens aus. Immerhin ist die Kubakrise seit den Sechzigerjahren nicht nur ein historischer Begriff, sondern auch Ursache für eine lange Reihe von Unannehmlichkeiten, mit der sich die Inselbewohner befassen mussten. Als Ende Februar über 2200 Fachhändler und Aficionados nach Havanna ans 22. Festival del Habano reisten, war von dem sich ausbreitenden Coronavirus allerdings noch nichts zu spüren. Die Dinge gingen ihren gewohnten Gang.
2019 generierte die Vertriebsgesellschaft Habanos 351 Millionen US-Dollar mit Premiumzigarren, das entspricht einer Umsatzsteigerung von zwei Prozent. Stückzahlen kommuniziert das Unternehmen traditionellerweise nicht. Viel lieber reden die Verantwortlichen über ihre Neuheiten. Im Zentrum stand dieses Jahr die Linea d’Oro. Mit dieser wird die Traditionsmarke Romeo y Julieta um drei mittelkräftige bis kräftige Vitolas erweitert. Ansprechend ist dabei auch die Verpackung: Ausgeliefert werden die Zigarren dereinst in rot-golden lackierten 20er-Kisten.
Etwas mehr Platz im Humidor wird die neue Edición Regional Suiza in Anspruch nehmen. Nachdem die Kubaner letztes Jahr komplett auf die Produktion der beliebten Länderserie verzichtet hatten, konnte die Schweizer Delegation heuer wieder ein Exemplar degustieren. Das Format der Quai d’Orsay Sélection Royale ist altbekannt. Mit 184 Millimetern Länge und einem 50er-Ringmass hat es die gleichen Masse wie die La Gloria Cubana Orgullosos, die sehr erfolgreiche Schweizer Regional Edition 2018. Damit hat es sich dann aber auch mit den Gemeinsamkeiten. So ist das Deckblatt der relativ milden Sélection Royale einiges dunkler und von einer robusteren Qualität als das ihrer Vorgängerin. Im Gaumen offenbarte die junge Zigarre noch typische Ammoniaknoten, aber bereits auch eine interessante Cremigkeit. Brand und Zug waren ausgezeichnet. 80000 Stück lässt Intertabak zu ihrem 25-Jahre-Jubiläum produzieren. Laut Plan sollen sie noch dieses Jahr in den Verkauf gelangen, im 50er-Kabinett.
Anders als an vergangenen Festivals fĂĽhrte die Besichtigung der Plantagen nicht in die fĂĽr ihren Tabak berĂĽhmte Region Pinar del RĂo, sondern in die zirka 35 Kilometer von Havanna entfernte Ortschaft San Antonio de los Baños, das Zentrum der Deckblatt-Produktion. Auf insgesamt 650 Hektaren gedeiht hier die Achillesferse der kubanischen Zigarrenindustrie. Fehlende Deckblätter waren in der Vergangenheit immer wieder der Grund fĂĽr Knappheiten im Habanos-Sortiment. Dieses Jahr zeigten sich die Verantwortlichen allerdings zufrieden mit der Ausbeute. Mit 211 Tonnen jungen Deckblättern (capa clara) sowie 34 Tonnen während fĂĽnf Jahren gereiften Deckblättern (capa cura) stellt die Region fast 60 Prozent der landesweiten Produktion sicher.
Auch die zahlreichen Festivitäten standen heuer unter einem guten Stern. An dem präzise orchestrierten Eröffnungsabend präsentierte HabanosVizepräsident Leopoldo Cintra González die BolĂvar Belicosos Finos Reserva Cosecha 2016. Wie der Name impliziert, wurden fĂĽr diese Spezialität ausschliesslich Tabake von der Ernte 2016 aus der Vuelta-Abaja-Region verarbeitet. In der Regel rĂĽckt Habanos fĂĽr ihre Reservaund Gran-Reserva-Serien jeweils einen globalen Brand wie Cohiba, H. Upmann oder Hoyo de Monterrey ins Rampenlicht. Mit BolĂvar wurde nun erstmals eine Marke ausgewählt, die nicht in diese Kategorie fällt.
Die Liste der an diesem Festival präsentierten Neuheiten war beeindruckend lang. Zu ihrem 30-Jahre-Jubiläumerhalten zum Beispiel die Casas del Habano zwei exklusive Formate, nämlich die Montecristo Herederos (18,65 mal 162 Millimeter) sowie die Juan Lopez Selección Especial (20,65 mal 170 Millimeter). Dem chinesischen Jahr des Ochsens gewidmet ist wiederum die Hoyo de Monterrey Primaveras (19,05 mal 167 Millimeter). Ein Hingucker ist auch die einem Buch nachempfundene Verpackung der Colección Cabinet Super Magnum.
Verwirrung herrschte bei den Ediciónes Limitadas. Im Messe-Katalog wurde einzig die Partagás Legado im Format Hermoso No. 2 aufgeführt. Im internen Produktionsplan standen aber noch zwei weitere Limitadas. Dort aufgeführt waren zusätzlich eine Hoyo de Monterrey Monterreyes No. 4 (21,8 mal 145 Millimeter) sowie eine Punch Princesas im Edmundo-Format. Leider freuten sich Aficionados und nicht zuletzt die Fachhändler zu früh. Drei Wochen nach dem Festival folgte die Bestätigung, dass es heuer nur eine Limitada-Zigarre geben wird. Die Hoyo de Monterrey sowie die Punch kämen dann 2021, vielleicht.
Spektakulär verlief die Galanacht am Ende der Festivalwoche. Verantwortlich dafür waren einerseits die hochstehenden Darbietungen der auftretenden Künstler, vor allem aber die spendierfreudigen Bieter an der traditionellen, erstmals von Christie’s geleiteten Humidor-Auktion. Der Sonderhumidor aus dem Besitz des verstorbenen Simon Chase, der jahrelang die Auktion der Galanacht mit Erfolg geleitet hatte, kam für unglaublich anmutende 380000 Euro unter den Hammer. Und in diesem Stil ging es weiter. Der Partagás-Humidor verkaufte sich für 400000, jener von Montecristo für 420000 Euro. Um das letzte Stück, den Cohiba-Humidor, entbrannte schliesslich ein regelrechter Bieterstreit, der im Rekordverkaufspreis von 2,4 Millionen Euro gipfelte. Der Gesamterlös von 4,27 Millionen Euro kommt wie immer vollumfänglich dem kubanischen Gesundheitssystem zugute, pünktlich auf die nächste Krise.