cigar | «Wir müssen nicht davon leben»
Aus Cigar 4/2018
Despacito Cigars

«Wir müssen nicht davon leben»

Als Zigarrenhändler fangen Andreas Waespi und Tony Guggenbühler noch einmal von vorne an. Im Interview ziehen der ehemalige CEO der Bank Coop und der pensionierte UBS-Banker eine erste Zwischenbilanz.

Interview: Delia Bachmann
Fotos: Jürg Waldmeier

Sie haben Ihre Zigarren nach einem Sommerhit benannt. Mögen Sie den Song?
Tony Guggenbühler: Ich kann das Lied nicht mehr hören. Aber der Name hat uns inspiriert.
Andreas Waespi: Despacito bedeutet so viel wie ganz langsam, immer mit der Ruhe. Genau darum geht es. Man zündet eine Zigarre an, wenn man Zeit hat. Und nicht, wenn man aufs Tram wartet.

Passt das auch zu Ihnen? 
TG:
Sehr gut sogar.
AW: Sicher. Finden Sie nicht?

Ihre Lebensläufe lassen nicht darauf schliessen.
AW: Im Leben muss man ab und zu auch wieder retourfahren.
TG: Ich liess mich frühpensionieren, weil ich es ruhiger nehmen wollte. Das Golfspielen allein war mir dann aber doch zu wenig. Wobei die Idee, eigene Zigarren zu machen, am Anfang mehr ein Tagtraum war.

Wie hat Ihr Umfeld darauf reagiert?
TG: Die meisten fanden die Idee gut, glaubten aber nicht, dass wir sie durchziehen würden.
AW: Der Song hatte auf Youtube schon damals 4,5 Milliarden Views. Dass die Domain noch zu haben war, hat uns sehr erstaunt. Wir sahen das als Chance und haben sie dann gleich reserviert. Ansonsten hätten wir es auch nicht gemacht. Man kann nicht einfach irgendeinen Brand nehmen für Zigarren, auf die kein Mensch gewartet hat. Mit einem guten Namen sind die Erfolgsaussichten für eine Zigarrenmarke wesentlich grösser.

Ist der Name wirklich so wichtig?
TG: Wenn man sich Gucci, Louis Vuitton und Co. anschaut, sieht man, dass das Branding und Design mindestens ebenso wichtig sind wie das Produkt.

Das dreijährige Berufsverbot, mit dem Sie die Finma 2014 belegte, weil die Bank Coop Marktmanipulation betrieben hatte, ist ausgelaufen. Wollten Sie nie ins Banking zurück?
AW: Das Verbot war völlig unverhältnismässig, darin ist man sich in Fachkreisen einig. Zumal sich ja auch niemand bereichert hat. Aber ich wusste: Wenn etwas ist, musst du den Kopf hinhalten. Und so kam es dann auch. Als CEO war ich Angestellter, jetzt trage ich selber unternehmerische Verantwortung, das ist etwas ganz anderes. Übrigens hätte ich weiter in einer Bank arbeiten können, nur nicht in den obersten Funktionen. Angebote gab es genug, aber ich beschloss, meinen Traum zu verwirklichen und Unternehmer zu werden. Also machte ich Nägel mit Köpfen und gründete eine Beratungsfirma.

Inwiefern ist Ihre Arbeit als Berater etwas ganz anderes?
AW: Einen Teil der Wirtschaft habe ich sehr gut kennengelernt. Jetzt bin ich auf der Gegenseite. Meine Mandanten sind froh, dass sie jemanden haben, der sich in all den Verhandlungen auskennt. Als Unternehmer hat man mehr Freiheiten. Das heisst aber nicht, dass man weniger arbeitet. Den Traum, mit wenig Arbeit viel Geld zu verdienen, hatte ich auch schon. Das funktioniert nicht.

Sie erklären Ihren Mandanten also, was diese sagen müssen, um von der Bank einen Kredit zu bekommen.
AW: Es geht ein bisschen in diese Richtung. In der Regel verhandle ich selber.


Zurück zu den Zigarren. Sie haben sich einiges überlegt, bevor Sie mögliche Produzenten anfragten.
TG: Zigarrenraucher und zigarrenaffine Personen machen etwa zwei Prozent der Schweizer Bevölkerung aus. Davon mögen rund 80 Prozent lieber milde Zigarren, die trotzdem würzig sind und sich während des Rauchverlaufs geschmacklich verändern. Wir beide sind da keine Ausnahme. In Nicaragua, Honduras und der Dominikanischen Republik suchten wir dann nach Produzenten, wobei wir zum Teil nicht einmal eine Antwort bekamen. Schliesslich fanden wir in der Dominikanischen Republik mit der Intercigar S. A. von Maurice Koks eine Firma, die genau das bot, was wir suchten: Premiumzigarren zu fairen Preisen.
AW: Uns war wichtig, dass wir den Business Case komplett aus Sicht der Konsumenten durchspielen.

Wie das?
AW: Wir beobachteten, was die Leute aus unserem Netzwerk gerne rauchen, und fragten nach, wie viel sie für eine Zigarre zahlen würden. Gerade auch bei Pensionierten, die nicht mehr gleich viel verdienen wie früher. So definierten wir unsere Preispolitik. Erst danach schauten wir mit dem Produzenten an, wie wir eine Premiumzigarre unter zehn Franken herstellen können.
TG: Möglich sind diese Preise aber nur, weil wir die Zigarren ausschliesslich über den Webshop verkaufen.

Besuchten Sie die Fabrik?
TG: Nachdem wir die Domain reserviert hatten, sagten wir uns, dass wir es entweder richtig machen oder gar nicht. Andy ging dann fast unangemeldet vorbei, um sich Arbeitsbedingungen und Qualitätskontrolle vor Ort anzusehen.

Sie standen also bereits vor der Tür, als Sie sich ankündigten?
AW: Mehr oder weniger. Jedenfalls konnten sie sich nicht gross vorbereiten. Der Besuch lief sehr geordnet ab, obwohl der Chef nicht da war. Die Qualitätskontrolle stimmte, und die Pausen wurden eingehalten.

Wie läuft es seit dem Launch im Juli?
TG: Sehr gut. Von den bestellten Kisten ist schon ein Viertel weg. Wegen der viermonatigen Vorlaufzeit mussten wir im September schon nachbestellen.

Welche Ziele haben Sie sich gesteckt?
AW: Wir haben zahlreiche Anfragen, aber wir sagen uns: Despacito. Es soll ein Hobby bleiben. Wir müssen davon nicht leben können. Es ist aber auch nicht so, dass wir damit Geld verlieren wollen.
TG: Wir haben unsere Marke in der Schweiz, in Deutschland, in Österreich und vorsorglich in Russland schützen lassen. Es ist auch viel Aufwand, die ganze Infrastruktur aufzubauen.

Sie haben von der Produktion bis zur Logistik alles ausgelagert.
TG: Den Webshop zähle ich auch zur Infrastruktur. Da gab es einige Hürden, die wir aber überwinden konnten.

Zum Beispiel?
TG: Als wir am Tag X online gehen wollten, teilte uns unser Zahlungsprovider Stripe mit, dass er Tabak nicht unterstützt. In einer Nacht- und Nebelaktion wechselten wir zur Postfinance und mussten Verträge mit der SIX abschliessen. Es wird einem nicht leicht gemacht.
AW: Es ist ein Start-up, da braucht es am Anfang grossen Effort, damit alles zum Laufen kommt. Mit der Zeit normalisiert sich das, und wir lernen immer wieder dazu.

Wie erklären Sie sich den guten Start?
TG: Es ist ein sehr personenbezogenes Geschäft, man muss präsent sein. Mit einer Domain ist es nicht getan. Und es wäre illusorisch zu glauben, dass alle, die bei Google Despacito eintippen, gleich eine Kiste Zigarren bestellen.
AW: Ich denke, es ist wie bei einem guten Wein. Wer bestellt schon einen Wein übers Internet, den er nicht kennt? Zigarren sind ein Genussmittel, das etwas kostet. Die Leute wollen es erst einmal probieren. Darum sind wir aktuell an vielen Anlässen präsent.

Sind Sie denn gerne unter Leuten?
TG: Andy ist es sich mehr gewohnt als ich. Aber ja, ich mache es sehr gerne. Man isst etwas in kleinem Rahmen, trinkt ein Glas Wein oder einen Rum und tauscht sich aus.
AW: Ich nahm jahrelang an Generalversammlungen mit über 1000 Leuten teil. Jetzt ist es nochmals angenehmer. Wir machen was, an dem die Leute Freude haben und hinter dem wir zu 100 Prozent stehen können. Das war bei den Bankprodukten nicht immer der Fall.

Despacito Cigars AG
Im Juli lancierte die im März gegründete Despacito Cigars AG ihre erste Zigarre in den Formaten Short Robusto, Robusto und Toro: Die Einlage aus nicaraguanischem Criollo 98 und dominikanischem Piloto Cubano wird von einem Umblatt aus Olor Dominicano und einem Deckblatt aus ecuadorianischem Corojo 99 zusammengehalten. Die Einlage der Limited Edition Double Toro mit Pigtail enthält zusätzlich Broadleaf-Tabak aus den USA. Gerollt werden die Longfiller von den 20 erfahrensten Torcedores der Firma Intercigar im dominikanischen Tamboril. Mit der Lagerung und Logistik wurde die in Basel ansässige The Royal Cigar Company GmbH betraut. Für das Branding zeichnete die Zürcher Designerin Catherine Martin verantwortlich.
www.despacitocigars.com

Andreas Waespi hat eine steile Bankenkarriere hinter sich: Lehre bei der Schweizerischen Volksbank in Zürich (1977), Leiter Privatkunden und Geschäftsleitungsmitglied bei der Basler Kantonalbank (BKB, 1996), Beförderung zum stellvertretenden Direktionspräsident (2004), ein Jahr später die Wahl zum CEO der Bank Coop (heute Bank Cler), einer BKB-Tochtergesellschaft. 2014 kam dann der grosse Bruch: Weil die Bank Coop Marktmanipulationen betrieben hatte, belegte die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Waespi mit einem dreijährigen Berufsverbot. Seit 2015 ist der heute 57-Jährige mit Waespi Consulting als Berater unterwegs und hat ein Dutzend Verwaltungsratsmandate inne.

Ursprünglich kommt Tony Guggenbühler aus der Rohstoffbranche. Als Kaffeetrader war der heute 63-Jährige während zehn Jahren in Zaire (heutige Demokratische Republik Kongo) aktiv. Seine Aufgaben reichten von der Beschaffung des Rohkaffees über die Aufbereitung vor Ort bis hin zum Vertrieb in ganz Europa. 1990 wechselte Guggenbühler als Quereinsteiger zur UBS, bei der er in leitender Stellung in diversen Bereichen der Investmentfonds tätig war. Mitte 2017 liess er sich frühpensionieren.

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