Text: Tobias HĂĽberli
Fotos: Njazi Nivokazi
Anfang des Jahres häuften sich bei uns die Meldungen von gefälschten kubanischen Zigarren. Allein im März tauchten in Zürich und Basel unter anderem eine Box nicht originale Trinidad Topes EL 2016 sowie verdächtige Montecristo- und Partagás-Kisten aus der Gran-Reserva-Linie auf. Daraufhin kaufte die Cigar-Redaktion über einen Strohmann eine gefälschte Kiste Cohiba Behike und suchte nach den Hintermännern. Die Recherche führte über einen Pensionär in Zürich zu einem Online-Händler in der Ostschweiz bis nach Costa Rica. Aber der Reihe nach.
Am 27. März um 16.30 Uhr betrat ein junger, aber kundiger Aficionado im Auftrag der Cigar-Redaktion einen Schweizer Tabakshop und fragte gezielt nach einer Box Cohiba Behike. Daraufhin zauberte der Verkäufer eine Zehnerkiste Cohiba Behike 56 hinter dem Tresen hervor. Die Rarität stamme aus einer privaten Sammlung, so der Mann. Er könne sie deshalb nur auf privater Basis veräussern, ohne Quittung, für 820 Franken.
Auf den ersten Blick machte unser Testkauf durchaus etwas her. Die schwarz-weiss lackierte Kiste, in dunklen Samt gehüllt, entsprach der Norm. Einzig die Plastikfolie, die den Lack schützt, fehlte. Die Kontrolle der Prüfziffern auf dem Garantiesiegel (Habanos SA stellt dafür ein Online-Tool zu Verfügung) wies die Kiste als echt aus. Verdächtig war hingegen die Banderole. Der Behike-Schriftzug hatte unklare Konturen. Zudem zeigten die Haare des Indianerkopfs nach unten, statt nach oben. Grund genug, die Sache genauer zu untersuchen.
Allerdings ist der Fälschungsnachweis bei einer kubanischen Zigarre gar nicht so einfach zu bewerkstelligen. Zwar lassen die Kubaner mittlerweile einen Grossteil ihrer Banderolen bei einer spezialisierten Firma in den Niederlanden drucken, aber eben nicht alle. Abweichungen kommen in seltenen Fällen auch auf echten Banderolen vor. Eine gefälschte Zigarre offiziell als solche identifizieren kann deshalb nur die Habanos SA selbst, betont Martin Weber, Geschäftsführer des Schweizer Importeurs Intertabak.
Weber rät generell, nur offizielle Ware bei lizensierten Fachhändlern zu kaufen. «Wer günstige Habanos aus zweifelhaften Quellen erwirbt, darf sich über Fälschungen nicht wundern.» Intertabak fühlt sich denn auch nicht verpflichtet, auf dubiosen Wegen erworbene, mutmasslich gefälschte Zigarren auf ihre Echtheit zu prüfen. Im April willigte Intertabak ausnahmsweise ein, unsere Kiste Cohiba Behike 56 sowie eine Kiste Cohiba Robustos Supremos EL 2014 (von ihr ist später noch die Rede), zu prüfen. Das Verdikt: Beide Produkte sind zweifelsfrei gefälscht. Doch wer hat sie importiert?
Bei der Behike 56 führte die Spur zur mittlerweile konkursiten Firma Pontevedra AG. Deren damaliger Verwaltungsrat, Heinz Ellenberger, bestätigte gegenüber Cigar, dass ein gewisser Rudolf «Cubaruedi» Rüegg damals Zigarren über die hauptsächlich in der Gastronomie aktiven Firma importierte. Der 78-jährige Rüegg handelt nach eigenen Angaben seit 15 Jahren mit Zigarren. Neben Privatkunden beliefert er auch Restaurants, zum Beispiel die Sommerlust in Schaffhausen oder die Ex4 Bar in Zürich. Auf seiner Website schreibt Rüegg: «Dank Direktimport aus Kuba bin ich in der Lage, auf den Listenpreisen von Intertabak bei den meisten Zigarren einen Rabatt von 25 Prozent zu gewähren.»
Woher seine Zigarren stammen, wollte Rüegg bei einem persönlichen Treffen «aus Gründen des Quellenschutzes» nicht verraten. Er versicherte aber, dass die von ihm importierten Zigarrenkisten allesamt in Original-Habanos-Mastercases abgepackt seien und er ausschliesslich mit echter Ware handle. Mit der gefälschten Kiste Behike 56 konfrontiert, zeigte er sich kooperativ. Da Behikes «bei keinem anderen Händler mehr verfügbar waren», habe er die Kiste beim in Amriswil ansässigen Onlinehändler Havana Smokers Club GmbH erworben und am 10. Oktober 2017 für 400 Franken über die Pontevedra AG an einen Privatkunden weiterverkauft.
Mitte März dieses Jahres bezog Rüegg nach eigenen Angaben letztmals bei der Havanna Smokers Club GmbH eine Charge Zigarren, darunter befanden sich Kisten von Cohiba Behike 54, Trinidad Topes EL 2016 und Trinidad Fundadores, allesamt gefälscht. Er habe die Lieferung wenige Tage später retourniert, nachdem Kunden ihn auf Unstimmigkeiten aufmerksam gemacht hatten, so Rüegg. «Nach den negativen Erfahrungen mit Havana Smokers Club prüfe ich nun jede Zigarrenkiste persönlich auf ihre Echtheit.»
Bloss schriftlich verlief unsere Konversation mit Patrick Signer, Geschäftsführer der Havana Smokers Club GmbH. Seine kubanischen Zigarren bezog er seit Mai 2006 und bis Anfang dieses Jahres von der in Costa Rica ansässigen Firma Rapido Internacional. «Aufgrund erster Verdachtsmomente beendeten wir diese Zusammenarbeit. Vorher hatten wir keine Hinweise. Im Gegenteil: Die Qualität der Zigarren wurde von unseren Kunden immer sehr geschätzt», schreibt Signer und fügt an: «Wir betrachten uns ebenfalls als Opfer.»
Genaueres war über den costa-ricanischen Zigarrenlieferanten nicht zu erfahren. Trotz wiederholtem Nachfragen konnte Signer ausser einer E-Mail-Anschrift (von der aus niemand antwortet) keine weiteren Angaben zu Rapido Internacional machen, weder eine Ansprechperson nennen noch eine Adresse, Website oder Telefonnummer. «Ein persönlicher Kontakt oder eine Reise nach Costa Rica fand nie statt», schreibt er. Wie auch Rüegg bietet die Havana Smokers Club GmbH ihren Kunden hohe Rabatte auf «kubanische» Zigarren an. Die tiefen Preise des lateinamerikanischen Geschäftspartners hätten ihn dabei nie misstrauisch gemacht. «Da es sich um Grossistenpreise ohne Zwischenhändler handelte, war der Einkaufspreis nicht ungewöhnlich», so Signer.
Unsere Recherchen ergaben, dass über die Havana Smokers Club GmbH seit geraumer Zeit gefälschte kubanische Zigarren in Umlauf gebracht wurden. Dabei handelte es sich auch um vermeintliche Raritäten, von denen sich Zigarrensammler dereinst eine Wertsteigerung versprochen hatten. Nicht selten steigen die Preise von limitierten Editionen innert weniger Jahre um 20 Prozent oder mehr. Zigarren in einer gefälschten Box sind hingegen praktisch wertlos, ganz egal, ob es sich am Ende um kubanischen Tabak handelt oder nicht. «Wir haben unsere Kunden teils vorsorglich, teils auf Anfrage über die aktuelle Situation informiert und das Rückgaberecht stets eingeräumt, dank der hervorragenden Qualität der Produkte wurde dieses allerdings wenig beansprucht», so Signer.
Nachweislich falsch ist Signers Aussage, dass es erst Anfang 2018 zu «ersten Verdachtsmomenten» gekommen sei. Die eingangs erwähnte, ebenfalls von Intertabak als Fälschung deklarierte Kiste Cohiba Robustos Supremos Edicion Limitada 2014 verkaufte Signer am 2. September 2016 für 390 Franken. Sechs Tage später bezweifelte der Kunde die Echtheit der Zigarren in einer Mail, die der Redaktion vorliegt.
Zwar gewährte Signer dem Käufer die Rückgabe «entsprechend europäischem Recht», in seiner Antwort vom 9. September 2016 schrieb er aber auch: «Der Vorwurf der Fälschung wiegt für uns sehr schwer.» Und weiter: «Sollten wir uns weiterhin mit dem Vorwurf des Handels mit Fälschungen konfrontiert sehen, werden und müssen wir in jeder Form dagegen antreten. Zu gross wiegt dafür die Ruf- und Geschäftsschädigung. Zu klar ist unsere Beweiskette. Zu viele Testkäufe unserer Konkurrenten haben wir erlebt, die schlussendlich nie zum beabsichtigten Resultat haben führen können. Einfach, weil wir keine Fälschungen anbieten.»
Wie erkennt man gefälschte kubanische Zigarren?
Am besten vergleicht man eine mutmasslich gefälschte Kiste inklusive Inhalt mit einem Original vom Fachhändler. Gütesiegel und Barcodes sind leicht fälschbar und bieten keine Garantie. Oft sind es kleine Details bei der Box oder auf den Banderolen, mit denen unechte Ware entlarvt werden kann. Der Kauf einer kubanischen Zigarre ist Vertrauenssache. Auf der absolut sicheren Seite ist, wer Zigarren in Fachgeschäften einkauft, die vom offiziellen Importeur Intertabak AG beliefert werden.
«Echte» Kubaner aus dubiosen Quellen
Im Internet finden sich eine ganze Reihe von zweifelhaften Zigarrenhändlern, die angeblich echte, direkt von der Habanos SA importierte kubanische Zigarren zu Discountpreisen anbieten und weltweit versenden. Viele der Websites haben einen ähnlichen Aufbau. So vertreibt etwa der auf den Kanarischen Inseln ansässige Online-Händler Swisscubancigars.com eine «echte» Kiste Cohiba Behike 56 für 414 amerikanische Dollar. Die Website cigaranalysis.com führt eine Liste mit bekannten schwarzen Schafen. Ganz oben figuriert dort seit Jahren die mittlerweile in Panama (und früher in Costa Rica) ansässige Firma Solo Cigars. Bereits 2007 akquirierte das Unternehmen aktiv Händler und Privatkunden in der Schweiz. Nach eigenen Angaben bestellte Rudolf Rüegg 2010 auf Empfehlung eines Kunden eine Charge Zigarren von Solo Cigars. «Die gelieferten Kisten entsprachen zwar betreffend Packmaterial nicht dem Original, die Zigarren erzielten in Blindverkostungen jedoch sehr gute Resultate. Sie waren nach Aussagen der Testpersonen tendenziell bis signifikant besser als das Original», so Rüegg. Er ist deshalb überzeugt, dass es sich zwar um unechte Kisten, aber um echte kubanische Zigarren gehandelt haben muss. Dem widerspricht die Habanos SA, die bereits im Oktober 2007 in einem öffentlichen Communiqué klarstellte, dass sie «Solo Cigars aus Costa Rica nicht mit kubanischen Zigarren beliefert». Merkwürdig findet Rüegg, dass «Habanos SA seit zehn Jahren nichts gegen Solo Cigars unternommen hat».
Randnotiz
Am 5. April erschien im Züritipp des Tages-Anzeigers der Artikel «Den Zigarrenfälschern auf der Spur». Die Hauptrolle spielte dabei ein gewisser Peter Burri, Zigarrenaficionado, Fotograf und Zigarrenhändler im Nebenerwerb. Beschrieben wird Burri als Kämpfer gegen Zigarrenfälschungen. Für seine Ware gebe er eine «100-prozentige Echtheitsgarantie ab». Nicht im Artikel steht, dass Burri als Geschäftspartner von Rudolf Rüegg fungiert, dass er Ende März gefälschte Kisten von Cohiba Behike 54 und Trinidad Topes an Privatpersonen verkaufte und diese – nachdem ihn Kunden auf die Fälschungen aufmerksam gemacht hatten, zurücknehmen musste.