cigar | Blender und Botschafter
Aus Cigar 3/22
Manuel Inoa

Blender und Botschafter

Manuel Inoa ist nicht nur verantwortlich für die Premium­zigarren von La Aurora, sondern auch das Gesicht des bald 120 Jahre alten Unternehmens. Ein Gespräch über Geschmack, Formate und den perfekten Blend.

Interview: Tobias Hüberli
Fotos: Njazi Nivokazi

Sie sind nicht nur Masterblender von La Aurora, sondern auch Markenbotschaf­ter. Wie kamen Sie dazu?
Manuel Inoa: Lange war ich ausschliesslich als Masterblender in der Fabrik tätig. 2016 kreierten wir dann erstmals ein Trainings-Kit für eine unserer Linien. Ziel war es, den Konsumentinnen und Konsumenten zu zeigen, wie sich die einzelnen Tabake oder unterschiedliche Deckblätter auf den Geschmack der La-Aurora-Zigarren auswirken. Bis zu diesem Zeitpunkt war ich eigentlich lieber im Hintergrund geblieben. Unsere Marketingabteilung beschloss dann aber, dass ich die richtige Person sei, um diese Events zu leiten.

Und lag damit ganz offensichtlich ziemlich richtig.
Das stimmt, ich geniesse es und mag den direkten Kontakt zu Aficionados auf der ganzen Welt. So erfahre ich viel über neue Trends. Als Blender interessiert es mich, was die Leute an meinen Zigarren gut finden und was weniger.

Dafür sind Sie ständig unterwegs?
Allerdings. Vor zwei Wochen landete ich in Madrid, jetzt bin ich in der Schweiz, dann gehts nach Griechenland und anschliessend nach Italien. Im September besuche ich zahlreiche Orte in Deutschland und natürlich machen wir auch an der Intertabac Halt. Danach ist fertig mit Reisen, es gibt noch andere Projekte, um die ich mich kümmern muss.

Die da wären?
Unser Unternehmen feiert nächstes Jahr das 120-Jahre-Jubiläum. Und dafür wollen wir eine neue Zigarre auf den Markt bringen. Ich habe schon alles vorbereitet: zahlreiche Tabake, alle mindestens acht Jahre gereift. Nun müssen wir nur noch herausfinden, wie sie zusammen funktionieren und wie viel Prozent von welchem Tabak es für den perfekten Blend braucht.

Von welchen Stückzahlen reden wir da?
Wir planen mit einer halben Million Zigarren in unterschiedlichen Formaten.

Welchen Namen wird die Zigarre tragen?
Keine Ahnung. Solche Dinge muss die Marketingabteilung entscheiden. Wenn es nach mir geht, darf sie gerne La Aurora 120th Anniversary heissen. Welche Zigarrenfirma kann von sich ­sagen, 120 Jahre alt zu sein? Ein paar alte kubanische Marken vielleicht, aber es ist sehr selten.

Wie gehen Sie vor, wenn Sie eine neue Zigarre kreieren?
Zuerst einmal muss man dafür hervorragende, gut gereifte Tabake auswählen. Für die Zigarre zum 100-Jahre-Jubiläum kreierten wir an die 100 verschie­dene Blends, um daraus den richtigen zu finden. Der Geschfäftsführer Guillermo León sagte mir, es müsse eine wirklich einzigartige Zigarre werden. Der Druck war also da und ich wollte kein Risiko eingehen. Die Blends wurden von zwei unterschiedlichen Teams geraucht, am Schluss blieben noch drei übrig, von denen wir dachten, sie wären gut genug. Zwei davon präsentierten wir dann León – und er traf die Entscheidung. So muss es sein.

Wie würden Sie die DNA von La-Aurora-Zigarren beschreiben?
Viel Geschmack und Qualität. La Aurora ist nicht bekannt für starke, dafür aber für geschmackvolle Zigarren, und das seit 119 Jahren. Ich werde sicher nicht derjenige sein, der dieses Erbe zerstört. Aber natürlich muss man auf der Höhe der Zeit bleiben, die neue Generation wünscht sich andere Zigarren, dem muss man als Unternehmen Rechnung tragen.

Und wie stellen Sie das an?
Wir reden mit möglichst vielen Geniesserinnen und Geniessern. Nur schon das Format ist wichtig. Früher waren Lanceros und Coronas sehr populär. Heute will das, mit Ausnahme der ­Bevölkerung in der Dominikanischen Republik, niemand mehr rauchen. 2010 kamen vor allem in den USA die grossen Formate in Mode – und zwar bezüglich Ringmass wie auch Länge. Wir beobachten natürlich, was gerade Trend ist. Unser Ziel ist es, die Leute glücklich zu machen. Wenn jemand anstelle einer Corona eine Churchill haben will, dann machen wir das, ohne dabei aber den Corona-Raucher zu vergessen.

Welche Zigarrenlinie von La Aurora verkauft sich eigentlich am besten?
Ganz klar die La Aurora Preferidos. Aber mit jeder neuen Linie, etwa der La Aurora 107, gewinnen wir neue Kundschaft dazu.

Mit der 107 Nicaragua hat La Aurora 2020 erstmals eine Zigarre in Europa lanciert.
Stimmt. Das hatte aber ehrlicherweise mit der Pandemie zu tun. In der Regel kommen unsere Zigarren zuerst in den USA auf den Markt. Nichtsdestotrotz, die 107-Linie liegt mir sehr am Herzen.

Erzählen Sie.
Schon vor langer Zeit begann ich, mich mit Tabaken aus verschiedenen Teilen der Welt zu befassen. Etwa aus Kamerun, Panama, Kolumbien, Nicaragua, Ecuador oder den USA. Dabei rauche ich jeden Tabak einzeln, um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie er sich, nach einigen Jahren Lagerung, in einem Blend verhalten wird. Mit der 107-Linie wollen wir die Vielfalt der Tabake feiern. Die erste La Aurora 107 widmeten wir 2010 Ecuador. In der 107 Maduro, einer sehr komplexen Zigarre, stellten wir Tabake aus den USA in den Vordergrund.

Die 107 Nicaragua ist die erste Zigarre der Linie, die nur aus Tabaken eines Landes besteht. Wie kam es dazu?
Ich reise viel in den USA. Da hörte ich oft, dass nicaraguanischer Tabak zwar gut sei, man ihn aber mit dominikanischem blenden müsse, da die Zigarren sonst zu stark und zu pfeffrig würden. Auf der anderen Seite gibt es in Nica­ragua sehr viele Anbauregionen mit unterschiedlichen Terroirs und Klimata. Das Resultat sind sehr variantenreiche Tabake. Also entschloss ich mich, alle Tabake in die Dominikanische Republik zu importieren, in der sie unsere Prozesse durchliefen. Die Kunst ist es, die einzelnen Blattstufen der Tabakpflanze, aber auch die einzelnen Regionen richtig zu kombinieren. Ich suchte nach Geschmack, nicht nach Stärke. Wenn Sie die 107 Nicaragua rauchen, würden Sie nie im Leben denken, dass da ausschliesslich Tabak aus Nicaragua drin ist. Die Zigarre ist voll Geschmack, aber ausbalanciert. Jedes Drittel hat einen eigenen Charakter.

Welchen Einfluss hat das Deckblatt auf den Geschmack einer Zigarre?
Es kommt auf die Einlage an. Ist das Deckblatt kräftig und die Einlage eher mild, dann sind es vielleicht 35 bis 45 Prozent. Aber wenn die Zigarre viel ­Ligero-Tabak enthält, sinkt der Einfluss auf 15 bis 20 Prozent. Oft wird ein Deckblatt im Schatten gezüchtet, weil es vor allem schön ausschauen soll. Dafür ist es dann nicht so kräftig. In ­Kuba ist es übrigens anders, weil da nur mit einheimischen Tabaken gearbeitet wird. Da macht das Deckblatt nur vier bis sechs Prozent des Geschmacks aus.

Wie verändert das Format den Geschmack einer Zigarre?
Nehmen wir zum Beispiel ein Lancero- und ein Robusto-Format. Der Blend ist prozentual der gleiche. Aber ein grösseres Ringmass lässt mehr Luft durch die Zigarre, die sich mit dem Tabakgeschmack vermischt. In dünneren Formaten ist der Geschmack deshalb intensiver. Bei Zigaretten funktioniert das übrigens gleich: Der Unterschied zwischen Marlboro rot und Marlboro light ist, dass der Filter mehr oder weniger luftdurchlässig ist.

Welche Ihrer Zigarren liegt Ihnen am meisten am Herzen?
Es ist wie bei den eigenen Kindern. Ich liebe sie alle. Am meisten rauche ich zwei Marken aus unserem Portfolio, nämlich die La Aurora Fernando Leon für den Morgen und den Nachmittag sowie die La Aurora 100 Años für den Abend.

Manuel Inoa (61) arbeitet seit über 40 Jahren im Tabakbusiness, seit 38 Jahren ­steht er im Dienst des ältesten dominika­nischen Zigarrenmanufaktur La Aurora Cigars. Als Masterblen­der verantwortet er die Herstellung aller Premiumzigarren des ­Unternehmens. Das sind jährlich zwölf bis 15 Millionen Zigarren. Ins­gesamt produziert La Aurora pro Jahr 2,3 Milliarden Zigarillos, Premiumzigarren sowie maschinengemachte Zigarren.

laaurora.com

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